Daniel Erdmann_Tenor- & Sopransaxophon
Aki Takase_Piano
In Kooperation mit Asia Networks
NEW CD: „ELLINGTON“ , 03/2024, enja records
Ellington!
Die Art ihres Zusammenspiels ist kaum anders als telepathisch zu bezeichnen. Dabei verbindet sich Erfindungsreichtum mit technischer Perfektion. Aki Takase und Daniel Erdmann haben viel miteinander geprobt, und das merkt man. Aber vor allem haben sie sich und uns viel zu erzählen. Die Präzision, mit der sie Unisoni und rasante Wechsel der Tempi zu meistern wissen, steht dem Flug ins Freie nicht im Wege, sondern öffnet ihm die Türen. Was während der Pandemie mit Videoschaltungen zwischen dem in Reims beheimateten Saxophonisten und der Berliner Wohnung der Pianistin begann, wurde live fortgesetzt. Bald spürten die beiden, dass sie mit ihrer Duo-Platte „Isn’t It Romantic?“ noch lange nicht alles gesagt, sondern gerade einmal den Anfang gemacht hatten. Die Lust am freien, eigenen Ausdruck und die Bewunderung für die Jazztradition führten Aki Takase und Daniel Erdmann beinahe instinktiv zu Ellington.
Das Schaffen von Duke Ellington – seine Kompositionen, seine Orchesterstücke, die Mannigfaltigkeit seines Werkes und sein Klavierspiel – erwies sich als geradezu idealer Ausgangspunkt für die Spielabenteuer im Duo. Ellington wurde zum Zündstoff für die Phantasie. Dabei fanden die beiden eine Vielzahl von Zugängen. Das Spektrum reicht von weitgehender Nähe zum Original bis zu Umdeutungen, von der Variation über die Dekonstruktion und Verfremdung bis zur Kreation von etwas gänzlich Eigenem, das sich nicht mehr vom Material der Vorlagen, sondern von der Stimmung, der Atmosphäre der Kompositionen bzw. Originalaufnahmen inspirieren lässt. Themen von Duke Ellington weisen dem Duo den Weg zum Essentiellen ihres gemeinsamen Spiels: zur Improvisation.
Aki Takases Beschäftigung mit der Tradition durchzieht ihre gesamte künstlerische Biographie. Sie hat sich mit Fats Waller, W. C. Handy, Eric Dolphy, Ornette Coleman und immer wieder auch mit Duke Ellington beschäftigt – stets mit dem Ziel, tiefer in die inneren Zusammenhänge des Jazz einzudringen und sich für ihr eigenes Spiel inspirieren zu lassen. Dabei hat sie neben dem Solo insbesondere das Duo-Format bevorzugt. Mit Daniel Erdmann, der auch in ihrer Band „Japanic“ mitspielt, war der Weg zu Ellington im Duo fast zwangsläufig vorgezeichnet.
Die Musik von Duke Ellington eignet sich für die Duo-Exkurse vor allem auch deshalb, weil sie so universell ist und weil sie in der Jazzgeschichte einen zentralen Platz einnimmt. Ellington gelang der Brückenschlag von der Überlieferung zur Moderne, von der Tradition zur Avantgarde. So, wie sich Ellington selbst auf das Kontinuum der afroamerikanischen Musik bezogen hat, können Aki Takase und Daniel Erdmann sein Schaffen nun auch auf seine Vorgänger, seine Zeitgenossen und seine Nachfolger projizieren, es also in einen Zusammenhang stellen, der von Ragtime und Stride Piano über Thelonious Monk und Bud Powell bis zu Cecil Taylor, von Schönberg und Strawinsky bis zu Conlon Nancarrow, von Ben Webster und Coleman Hawkins über John Coltrane bis in die Gegenwart reicht.
Jedes der Duo-Stücke eröffnet einen anderen Zugang, entfaltet eine eigene Farbe. Swingende Fröhlichkeit steht neben balladesker Leidenschaft und romantischer Melancholie, impressionistische Leichtigkeit neben dichten Klangwolken. In der Summe entsteht ein multiperspektivisches Bild und natürlich – wie bei allen gelungenen Reminiszenzen im Jazz – auch ein Selbstportrait, in diesem Falle ein Doppelportrait. Auf der Bühne geben sie ein perfektes Bild ab: der hochgeschossene Daniel Erdmann und die vergleichsweise zierliche, ganz auf das Klavier vertiefte Aki Takase. Doch erst in der musikalischen Interaktion, im beseelten Miteinander entsteht das spannende Psychogramm des Duos. Ellington wird dabei zum gemeinsamen Bezugspunkt. Mehr noch als um das Notenmaterial geht es um den Sound, eine der zentralen Kategorien seines Schaffens. Und vor allem geht es um seinen Spirit, der Charles Mingus zu einem seiner schönsten Stücke inspirierte – ein Stück, dessen Titel auch als Überschrift für diese Duo-Aufnahmen gelesen werden kann: „Duke Ellington’s Sound of Love“. Bert Noglik
Bios:
Aki Takase wurde in Osaka geboren und wuchs in Tokio auf. Klavierunterricht erhielt sie bereits ab dem dritten Lebensjahr. Klavier war auch das Hauptfach während ihres Musikstudiums an der Tohogakuen University in Tokyo. 1979 folgte ein längerer Aufenthalt in den USA. 1981 beim Berliner Jazzfest in der Philharmonie dann der erste gefeierte Auftritt ihres Trios mit Takeo Moriyama und Nobuyoshi Ino in Deutschland. Zahlreiche Konzerte und Schallplattenaufnahmen mit Dave Liebman, Sheila Jordan, Cecil McBee, Lester Bowie, Bob Moses, Joe Henderson, Niels Henning Orsted Pedersen u.v.a. folgten.
In den neunziger Jahren langjährig sehr erfolgreiche Duos mit der Sängerin MARIA JOAO, sowie mit dem Saxophonisten DAVID MURRAY. Arbeit im Trio mit REGGIE WORKMANN und RASHIED ALI, im Duo mit ALEX VON SCHLIPPENBACH, sowie gelegentliche Projekte mit dem TOKI STREICHQUARTETT und dem BERLIN CONTEMPORARY JAZZ ORCHESTRA. Aktuell vor allem ihre Zusammenarbeit sowohl mit dem Baßklarinettisten RUDI MAHALL als auch mit der Lyrikerin YOKO TAWADA jeweils im Duo, sowie ihr Trio DEMPA (mit Aleks Kolkowski und Tony Buck). Schallplattenpreise der UDJ erhielt Aki Takase 1990 (Play Ballads of Duke Ellington), 1991 (Shima Shoka), 1994 (Blue Monk) und 1998 (Duet for Eric Dolphy). Von 1997 bis 1999 arbeitete sie als Gastprofessorin an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. 1999 erhielt die den Kritikerpreis der Berliner Zeitung. Aki Takase erhielt im Jahr 2002 den SWR Jazzpreis. Für ihre VÖ „Aki Takase plays Fats Waller“ wurde ihr 2004 der Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik für die beste Jazzproduktion verliehen. Weitere Projekte sind das Trio LOK 03 mit Alex von Schlippenbach und DJ Illvibe, Duos mit Lauren Newton, Silke Eberhard (Ornette Coleman Anthologie), Han Bennink und Louis Sclavis. Sie erhielt bislang 8 Nominierungen für den Vierteljahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik. Im November 2021 wurde Aki Takase im Rahmen des Berliner Jazzfests der renmmierte Albert Mangelsdorff-Preis verliehen.
Daniel Erdmann wurde 1973 in Wolfsburg geboren. Er spielt seit 1983 Saxophon und studierte u.a. bei Gebhard Ullmann an der Hochschule für Musik Hanns Eisler. Er nahm Alben für verschiedene Labels auf, u.a. BMC, ENJA, ACT, LABEL BLEU, INTAKT und spielt weltweit Konzerte mit Bands und Musikern wie Das Kapital, Vincent Courtois, Aki Takase, Carlos Bica, Heinz Sauer, Samuel Rohrer, Henri Texier. 2014 gründete er die deutsch-französische Compagnie DAS ATELIER und seine neue Band Daniel Erdmann´s Velvet Revolution mit Théo Ceccaldi und Jim Hart. Das erste Album der Band bei BMC Records wurde mit dem Jahrepreis der deutschen Schallplattenkritik und einem Echo Jazz ausgezeichnet. Im Herbst 2020 wurde Daniel Erdmann im Rahmen des Enjoy Jazz Festivals mit dem renommierten SWR Jazzpreis ausgezeichnet. Im Juni 2021 ist er Preisträger des erstmals vergebenen Deutschen Jazzpreises.
Presse:
Aki Takase und Daniel Erdmann im Duo: Ist es nicht romantisch?
Einfach schön, bei dieser Musik genau hinzuhören.
Moment mal: Einfach? Schön? Das will erklärt werden. Daniel Erdmann, Saxofone, ist schließlich kein melodienseliger Schönspieler, sondern Erfinder raffinierter Klänge und rauer, beziehungsreicher und gern auch mehrdeutiger Linien. Und der Pianistin Aki Takase fehlt jeglicher Hang zur Vereinfachung und zu dahinplätschernder Gefälligkeit, statt dessen agiert sie geistesgegenwärtig, oft unvorhersehbar, witzig und auch mal kontrovers. Mit anderen Worten: Das Schöne an dieser Musik resultiert nicht aus Harmoniebedürfnis und Traditionsbindung, sondern aus Raffinesse und Reibung, aus eigensinnigen Wegen im Zusammenspiel.
Trotzdem: Wie schön, wenn Daniel Erdmann durch die Artikulationsgeschichte des Tenorsaxofons streift, eine Klanggebung nach der anderen durchspielt und auskostet, keine Phrase so beendet, wie er sie angefangen hat – und dabei ein geschlossenes und emotional intensives Gebilde nach dem anderen produziert. Ach, und einfach wunderschön, wie Aki Takase mit Zufällen jongliert, bremst und beschleunigt, Zwischenräume sucht und findet und dann die Initiative an sich zieht, wie ihre rechte Hand einzelne Töne kantig und polyrhythmisch dahinperlen lässt und dann mit Nachdruck und beidhändiger Anschlags-Wucht zu einem anderen Ufer davonstürmt.
Das Allerschönste aber ist, wie die beiden dabei nahe beieinander bleiben. Manchmal liegt das an den Kompositionen, die Koordinationsleistungen verlangen. Manchmal klingt es auch nach gedankenschneller Konsensbildung als Konsequenz einer gemeinsamen Wellenlänge. Und immer kommt davor und danach etwas anderes. Beide haben zur Gesamtgestalt des Albums je sechs Kompositionen beigetragen, das letzte Stück stammt von Richard Rogers und bohrt ein wenig in der Jazzgeschichte. […] Aber es ist einfach schön, hier genau hinzuhören. Nichts Erwartbares zu entdecken und gerade darum umso weniger enttäuscht und umso reicher belohnt zu werden. Hans-Jürgen Linke, Frankfurter Rundschau, 16.07.2021
Es gab dieses Duo mit David Murray zum Beispiel, im vergangenen Jahrhundert, als der tonmächtige Tenorist zusammen mit Aki Takase vorbildlich Ellington zerhackte. Wenn jetzt mit Daniel Erdmann ein Saxofonist der nächsten Generation auf die in Berlin lebende Pianistin trifft, schwingt zwar Erinnerung an prägende Vergangenheiten mit, zugleich aber die Lust, mindestens eineinhalb Leben mehr einfließen zu lassen. Erdmann bindet Takases hinreißend spröde Romantik in zwölf originalen Dialogen und einem Cover mit musikalischem Esprit ab. Es entsteht ein humorvolles Spiel der Kontraste einfühlend modern und erzählerisch üppig. Ralf Dombrowski, stereoplay, 07/2021
„Isn’t It Romantic?“ fragen (sich) in Budapest die Pianistin Aki Takase und der Saxofonist Daniel Erdmann, die famos miteinander parlieren. Wobei zarte Momente und Kraft strotzende Dialoge voller Spielwitz samt ergreifender Melodien perfekt ausbalanciert sind. Sven Thielmann, Hifi&Records, 07/2021
Mit einem Dutzend eigener Kompositionen Servieren Takase und Erdmann (…) einen von musikalischem Witz geprägten und unbändiger Lust am Experiment überquellenden Dialog, der gänzlich souverän aus einem unermesslichen Fundus schöpft. Sie streifen durch impressionistisch angehauchte Melodien, brüchige Balladen und brachiale Beats, scheppern mit Monk‘schem Schalk durch Stride, Swing und andere klassische Stile des Jazz, hauen mächtige Cluster heraus, kokettieren mit folkigen Tänzchen und unterhalten sich dabei so vertraut miteinander wie altvertraute Kumpels, die sich auch mal auf die Schippe nehmen. Neben den Eigengewächsen präsentiert das Duo einen alten Heuler aus den 1930er Jahren als Albumtitel dieser überaus audiophile Aufnahme. Ist das nun romantisch? Uli Lemke, Jazzthing, 9/10, 2021
Wie ist das schön, wenn Musiker mit großer Freiheit und unter Nutzung der gesamten Jazzgeschichte daran gehen können, so zu musizieren, dass in diesen trüben Zeiten einfach Freude aufkommt. Aki Takase und Daniel Erdmann kennen sich gut von früher und besser durch ihre jüngste Zusammenarbeit im Quintett Japanic. Und sie kommen auch im Duo offenbar so fantastisch miteinander aus, um auf Augenhöhe musikalische Perlen zu produzieren. Musikalisch hat Isn’t It Romantic? solch eine Frische, dass man nach dem Hören schnippend und gut gelaunt, als auch hochkonzentriert und inspiriert (wie wohl auch die beiden Musiker*innen) in den Tag gehen kann. Jan Kobrzinowski, Jazzthetik 07/2021
Takases rhythmisch akzentuierte Stücke und Erdmanns oft hymnenartige, seinem erdigen Saxophonton entsprechenden Kompositionen wechseln sich ab und ergeben, mit vielschichtigen Akkorden, eine Art Konzeptkunst: sehr genau berechnete Effekte und Steigerungen, Brüche und Neuanläufe. Titel wie Takases „Reconstruction in Berlin“ oder Erdmanns „An jeder Kreuzung liegt eine Erinnerung begraben“ sind Programm: Komplexe Strukturen, souveränes Vergnügen über die Jazzgeschichte, ohne Leerlauf sofort auf den Punkt. Helmut Böttiger, Jazzpodium 08/09
Fotos © Dirk Bleicker (Click the image for a larger view)